Land Vorarlberg

Vorarlberger Landesbibliothek

Vereint gegen das Kraftwerk

Veröffentlicht am 21.02.2022 von Mag. Thomas Feurstein

Nach dem Bau einer Öl-Pipeline im Rheintal erhoffte sich die Regierung des Kantons St. Gallen zu Beginn der 1960er Jahre günstigere Rahmenbedingungen für die industrielle Entwicklung der Region. Um die Energieversorgung langfristig zu gewährleisten, sollte in Rüthi, in unmittelbarer Nähe Vorarlbergs, ein riesiges thermisches Kraftwerk entstehen. Rasch bildete sich beidseits der Grenze eine kraftvolle Bewegung, die schließlich den Bau verhinderte. 1972 wurde an der gleichen Stelle ein Atomkraftwerk geplant, das dann aufgrund von Protesten ebenfalls nie realisiert wurde.

Am 11. September 1965 erlebte Vorarlberg innerhalb eines Jahres bereits die zweite Großdemonstration. „Dichtgedrängt, wie in Feldkirch noch nie gesehen, waren Marktgasse, die Lauben, rundum die Gaststätten, die Fensterplätze und die Zufahrtsstraßen mit Rüthi-Gegnern besetzt. Überlegte Schätzungen – offizielle liegen nicht vor – gehen auf 25.000 Leute.“
Vom Bodensee bis zum Arlberg und aus der schweizerischen und deutschen Nachbarschaft wurde die Solidarität spürbar in einem Meer aus Transparenten, von denen zwei Stück wegen zu großer Schärfe eingezogen werden mussten.
Einer der Hauptredner war der Vorarlberger Dr. Carl Bobleter, damals Staatssekretär in Wien. Als er das Wort ergriff „brandete ihm Dank und Begeisterung entgegen, dass er sich so unerschrocken für seine Heimat zur Verfügung stellt, um die Notwehr der Bevölkerung mit demokratischen Mitteln zu unterstützen.“
Sprechchöre brausten durch die Feldkircher Marktgasse: „Rüthi nie – Rüthi nein – Volksabstimmung“. Mit großem Beifall wurde die Anwesenheit von deutschen und schweizerischen Fernsehteams bejubelt, hingegen die Abwesenheit des österreichischen Fernsehens bemängelt. Auch das beharrliche Schweigen des Vorarlberger Volksblattes wurde mit Buhrufen kommentiert.